Pressestimmen

 

Die Frau in der Musik
„Oh yeah, she performs!“ ist ein außergewöhnlicher Film über Musikerinnen. On Stage, off stage und backstage.

Man muss gar nicht lange nachdenken, um auf mindestens drei Arten zu kommen, wie man einen Dokumentarfilm zum Themenkomplex „Die Frau in der Musik“ verhauen hätte können. Mit zu viel Pathos. Mit zu wenig Humor. Mit Mitleid. Oh yeah, she performs! ist all das nicht. Vielleicht ist Mirjam Ungers Doku über vier österreichische Musikerinnen gar kein Film über vier österreichische Musikerinnen, sondern ein Porträt von vier Menschen, die Musikerinnen sind. Haarspalterei, sagt ihr? Aber geh. Es macht einfach einen großen Unterscheid, ob eine Filmemacherin ihren Darstellerinnen Luft zum Schnaufen und Leben und Reden lässt, oder ob von vornherein alles zweckgebunden erscheint, sodass am Ende dann das gewünschte Ergebnis rauskommt.

Mirjam Unger ist auf eine Reise gegangen. Und dass sie und ihr Team vielleicht nicht immer gewusst haben, was sie von den Menschen, die sie porträtieren, zu erwarten haben, was sie erzählen und wie sie sich verhalten werden, das ist die größte Stärke dieses Films. Es macht ihn organisch und lichtdurchlässig, es zischt und vibriert. Da fliegen die Funken. Über die Leinwand und ins Publikum.

„Oh yeah, she performs!“ läuft daher auch nicht Gefahr, als Club-Tapete verheizt zu werden oder in irgendeiner Special-Interest-Nische zu vergehen. Denn, wenn so ein Film selbst mich, also einen Menschen, der musikuninteressiert ist, kriegt, im Sinne von „der gibt mir was“, dann funktioniert er auch für alle anderen. Davon bin ich überzeugt.

Raus aus dem Sumpf
Von den Künstlerinnen, denen ich in diesem Film begegnet bin, kannte ich nur Gustav. Dahinter steht Eva Jantschitsch, eine erdige Frau mit außergewöhnlicher Stimme und auch eine begnadete Performerin. Den großen Schwangerschaftsbauch unter ein weites Leiberl mit Micky Maus vorne drauf gesteckt, singt und pfeift und lacht sie sich sofort in mein Herz. Es wird wohl auch kein Zufall sein, dass Mirjam Unger diese Frau zentral positioniert in ihrem Film. Eva Jantschitsch ist das energetische Zentrum von „Oh yeah, she performs!“, da die Kunst einfach aus ihr herauszuwachsen scheint und sie das selbstverständlich zulässt. Nix wirkt verkrampft, gewollt, aufgesetzt.

Das ist aber auch bei den anderen Porträtierten nicht der Fall: Vera Kropf von Luise Pop, die ehemalige Bunny Lake-Sängerin und mittlerweile Solo-Künstlerin Teresa Rotschopf und Clara Luzia Humpel, sie alle sind wohltuendes Kontrastprogramm zum Morast der Trendsucher und Pop-Parasiten. So klingen sie dann auch, sie klingen wirklich, authentisch und grundverschieden.

Gemein ist ihnen aber die romantische Idee von Kunst als Selbstausdruck und Selbstverwirklichung. Musik ist ein kommunikatives Gefäß: stehen sie auf der Bühne, dann sind sie, wie Eva Jantschitsch sagt, nackt. Angreifbar, verletzlich, voller Anmut. Es tut gut, das zu sehen und zu fühlen. Es wird mir warm ums Herz. Ob ich die eine oder andere besser finde, ist da schon zweitrangig. Es geht um mehr.

Wie wir leben
„Oh yeah, she performs!“ ist trotz aller Offenheit auch ein geschriebener Film. Fallweise haben mir die Geschichten überhand genommen, die von der Neuerfindung, die vom Durchkämpfen, die vom Dämonen-Austreiben. Ganz einfach weil ich darüber ein Stück weit den Konnex zu den Menschen selbst verloren habe. Am stärksten ist Ungers Film immer dann, wenn er sich einlässt auf die Künstlerinnen und sich ihren echten, wie sicherlich auch ein Stück weit erfundenen Lebenswelten überantwortet.

Teresa Rotschopf mit Baby im Arm in einem Hotelzimmer in New York, Clara Luzia im Wald, Gustav in Hamburg: da sie so verschieden wirken dürfen, verkommt „Oh yeah, she performs!“ auch nie zu einem Problemfilm. Ja, es geht um Diskriminierung von Musikerinnen, um Feminismus und Mutterschaft, um Rollenbilder und Gender-Identitäten, aber nie weil es die Regisseurin darauf anlegt, sondern weil es aus den Darstellerinnen selbst heraus wächst. Das macht einen großen Unterschied und macht mich glücklich. Es ist ein Film, der mich atmen lässt.

Oh yeah!
Die inhaltliche Stoßrichtung einer Begegnung mit Musikerinnen bestimmen auch die Bilder von Kamerafrau Eva Testor: nicht zu groß sind sie, eher intim. Sie lassen mich nah ran, aber ziehen auch eine notwendige ästhetische Distanz ein. Sie spielen mit Texturen und Farben, spielen sich auf die Darstellerinnen ein.

All das hilft dabei, dass „Oh yeah, she performs!“ mehr wird, als ein konventioneller Musikfilm. Es sind Porträts auf Augenhöhe, inszeniert von einer Regisseurin, die ihre Darstellerinnen bewundert, ohne ihnen zu verfallen. Letztendlich muss man den Titel des Films auf Mirjam Unger umlegen und sagen: She performed. Oh yeah!
(FM4, Markus Keuschnigg)

 

 

 

 

Sublime Rebellion
„In ihrem Doku-Film „Oh Yeah, She Performs!“ porträtiert Mirjam Unger vier Musikerinnen aus der heimischen Indie-Pop-Szene

Clara Luzia ist verärgert. „Jedes Mal, wenn gefragt wird, wer bei uns Schlagzeug spielt, schauen’s den Max an“, erzählt die Wiener Singer-Songwriterin. Dabei sitzt Max Hauer, der 2010 als neuestes Mitglied zur Band Clara Luzia dazugestoßen ist, vornehmlich am Klavier. Und noch immer sorgt die Tatsache, dass mit Ines Perschy eine Frau die Drums für das erfolgreiche Folk-Pop-Quintett schlägt, für erstaunte Ausrufe und überschwängliches Lob – und wird vor allem von Männern wohlwollend abgenickt.

Freilich: Künstlerinnen, die ihre eigene Musik komponieren, produzieren und vortragen, sind alles andere als neu – und doch gelten sie nach wie vor als „Ausnahme und das ‚Extra‘, das benannt werden muss“, wie die (mittlerweile leider verstorbene) feministische Popjournalistin Tine Plesch treffend beschrieb: „Die eigentlich überflüssigen und ärgerlichen Markierungen von Musikerinnen mit Slogans wie ‚Frauen in der Rockmusik‘ mögen dann sogar notwendig sein, um zu demonstrieren, dass es diese Frauen gibt. Unvermeidlich erscheinen solche Festschreibungen ohnehin.“

Bühnenschweiß und Babys
Clara Luzia ist eine der vier Protagonistinnen der Dokumentation „Oh Yeah, She Performs!“, dem neusten Film von Mirjam Unger, der in Kürze in den österreichischen Kinos startet und auch zur diesjährigen Viennale eingeladen wurde. Neben Clara Luzia kommen in der rund 100-minütigen Kino-Doku weitere lokale Musik-Heroinen zu Wort: Pop-Chanson-Musikerin Gustav, Vera Kropf von der Indie-Pop-Band „Luise Pop“ und Teresa Rotschopf, die seit der Auflösung der Elektronik-Formation „Bunny Lake“ unter dem Namen „O“ solo unterwegs ist. „Um die Jahrtausendwende erschienen nach und nach hierzulande vermehrt junge Frauen auf der musikalischen Bildfläche, die mit Self-Empowerment in Eigenregie Texte, Songs, Komposition und Produktion übernahmen und live auftraten“, sagt Mirjam Unger zu ihrer Motivation, einen „Musikerinnenfilm“ zu drehen. „Ich fand dennoch, sie seien immer noch viel zu unbekannt und begann mit Co-Autorin Veronika Weidinger, die weibliche Musikszene zu erforschen.“

Zwei Jahre lang traf sich die Regisseurin mit den einzelnen Künstlerinnen in unregelmäßigen Abständen zu den Dreharbeiten. Dabei nähert sich Unger den Musikerinnen auf jene Weise an, über die sie auch selbst definiert werden möchten – nämlich über ihre Arbeit: on Tour, auf und hinter der Bühne, im Heimstudio und Probekeller. Privates (sowohl Gustav als auch Teresa Rotschopf waren während der Dreharbeiten schwanger und bekamen ihr erstes Kind) wird nur beiläufig thematisiert. Dennoch kommt Unger den porträtieren Musikerinnen, die jeweils ganz unterschiedliche Weiblichkeiten auf der Bühne performen – von „alternativ“ bis glamourös -, so nah wie denkbar möglich.

Filmische Aufklärung
In seinen stimmungsvollen, farbensatten Bildern funktioniert „Oh Yeah, She Performs!“ hervorragend als Konzertfilm, zugleich lassen das runtergeschraubte Tempo und die zahlreichen Close-Ups viel Intimität zu. Zum alten Dilemma, mit der Geschlechterfrage die gesellschaftlichen Bedingungen für Musikerinnen zu thematisieren und zugleich das Individuelle in den unterschiedlichen künstlerischen Zugänge darzustellen, erklärt die Regisseurin in einem Interview: „Ich verfolge grundsätzlich einen aufklärerischen Ansatz, denn es gibt viele Leute, die die Musikerinnen gar nicht kennen. Es ist wichtig, dass diese Frauen auch gesehen und nicht nur gehört werden können.“

Die feministisch inspirierte Aufklärung betreibt Unger in ihrer Dokumentation allerdings auf ausgesprochen sanfte Weise: „Mir war wichtig, niemanden zu verjagen“, wie die Filmemacherin und ehemalige FM4-Moderatorin sagt. Obgleich die gefeatureten Musikerinnen für ihre feministische Überzeugung bekannt sind, werden strukturelle Benachteiligungen und Schieflagen in der Wahrnehmung für Musik schaffende Frauen als Thema nur gestreift. Es ist vor allem Eva Jantschitsch alias Gustav, die die Arbeit von Musikerinnen explizit zum Politikum erhebt und dafür – nicht nur im Film – eine dezidiert feministische Sprache wählt: „Du bist in einem Raum, der männlich besetzt worden ist, und wo auch alle Regeln von Männer definiert worden sind. Diesen Raum musst du dir sukzessive erobern.“

Über die Sichtbarkeit hinaus
Dass es möglicherweise doch über ein bloßes Sichtbarmachen hinausgeht, legt ein Blick auf die Credits nahe: Mit Mobilefilm als Produktionsfirma, die von Nina Kusturica und Eva Testor geleitet wird, und einem weiblichen Team bei Buch, Kamera und Schnitt hat die emanzipatorische Haltung auch in der Filmherstellung ihren Niederschlag gefunden.“
(dieStandard.at, Vina Yun)

 

 

 

Kein Problemfilm, hier wird gefeiert
„Oh Yeah, She Performs!“ begleitet vier heimische Musikerinnen bei der Arbeit. Hier zu sehen: Vera Kropf, eigenwilliger Kopf von Luise Pop, im Bühneneinsatz.

Gustav, Clara Luzia, Luise Pop und Teresa Rotschopf machen Musik: Mirjam Ungers „Oh Yeah, She Performs!“ ist eine energetische Hommage an vier alternative Stars

Wien – Aus der Perspektive einfacher Popmusikschaffender sieht ein Jahr etwa so aus: Im Sommer steht man auf den Bühnen der „truly detestable summer festivals“ (Edwyn Collins). Im Herbst macht regnerisches Wetter das Reisen im Tourkleinbus erst recht beschwerlich. Im Winter muss man den Ofen im Proberaum im Gartenhäuschen befeuern. Und der Frühling wäre eigentlich eine gute Zeit für die Veröffentlichung eines neuen Tonträgers.

Mirjam Ungers neuer Dokumentarfilm „Oh Yeah, She Performs!“ begleitet vier heimische Musikerinnen bei der Arbeit – über einen längeren Zeitraum, den die wechselnden Jahreszeiten lose strukturieren: Man sieht Elektrochanteuse Eva Jantschitsch alias Gustav nach der Babypause beim Konzert im Hamburger Thalia Theater. Die vierköpfige Garagenrockband Luise Pop unterwegs durch kleine Klubs in Tschechien und der Slowakei. Teresa Rotschopf, anfangs noch Bunny-Lake-Mitglied, bei den Aufnahmen zu ihren ersten, tief dröhnenden Solostücken. Und Singer-Songwriterin Clara Luzia beim Heimspiel vor lauter mit Papp-Eselinnen-Köpfen maskierten Fans.

 

Glamour und Spaß
Die Kamera holt vor allem die Gesichter und Körper der (Front-)Frauen ins Bild. Wie schon der Titel nahelegt, ist Ungers Film auf Performances in Studios und auf Bühnen konzentriert. Die einzelnen Nummern bekommen Raum in Echtzeit, auf der Bildebene sind dazu noch kleine Beobachtungen wie kurze Gedankenblitze eingebaut. Der Film lässt die Frauen glamourös und begehrenswert erscheinen – und zwar primär im Hinblick auf den Spaß, den es ihnen selbst offenkundig macht, sich derart zu produzieren (kleine Allüren inklusive).

Die Regisseurin und Radiojournalistin Unger hat „Oh Yeah, She Performs!“ laut eigenem Bekunden auch gemacht, um ihrer musizierenden Teenagertochter ein paar treffliche Vorbilder an die Hand zu geben. Was es alles an inneren und äußeren Hindernissen zu überwinden gilt, was man besser ignoriert und was man überhaupt alles organisieren muss, wenn man als Frau (in Österreich) selbstbestimmt Musik machen will und darin mehr sieht als ein ökonomisch unschuldiges Hobby, das wird in „Oh Yeah, She Performs!“ folglich nicht ausgeblendet. Aber es bleibt am Rande. Den Problemfilm können andere machen, hier wird gefeiert, aber trotzdem genau hingesehen: Einmal erzählt Clara Luzia, dass die Schlagzeugerin ihrer Band sich immer wieder von Männern anerkennend sagen lassen müsse, dass sie ihre Arbeit am Instrument ja eh erstaunlich gut erledige – „und das im 21. Jahrhundert!“ Mit der nächsten Einstellung wird Ines Perschy quasi umgehend in den Vordergrund geholt, und man kann ihr zusehen und zuhören wie sie das Schlagzeug bedient. Auf manche Dinge muss man im 21. Jahrhundert vielleicht auch einfach nicht mehr näher eingehen. „
(derStandard, Isabella Reicher)

 

 

 

„Gustav, Clara Luzia, Teresa Rotschopf, Luise Pop: vier österreichische Modelle einer weiblichen Sensibilität im Pop zwischen Indie, Songwriter-Elektronik und Breitwand-Elektro. Unger zeichnet ein Panoramabild der neuen weiblichen Selbstermächtigung und mischt Situationen zwischen Proberaum und Bühne, zwischen privater Wurzelsuche und Aufnahmestudio mit kurzen Interviews. Ein raues Dokument, das mit dichten Montagen, Jumpcuts und schnellen Szenenwechseln eine visuelle Sprache für eine Szene findet, die immer auch Widersprüche in einem männlich besetzten Raum verhandeln muss. Ausgeliefert, jede Nacht!“
(Viennale)

 

 

 

„Sie begeistern ihre Fans, machen kompromisslos die Musik, die ihnen gefällt, sind furchtlos und gehen aufs Ganze. Wir alle kennen sie aus den Charts unter ihren Bandnamen Gustav, Clara Luzia, Bunny Lake und Luise Pop. In echt heißen die Damen Eva Jantschitsch, Clara Humpel, Teresa Rotschopf und Vera Kropf. Sie haben nicht nur was zu singen, sondern auch was zu sagen. Und erobern damit ein Metier, das immer noch zum Großteil in Männerhand ist. Die gebürtige Grazerin Eva Jantschitsch hat sich denn auch gleich Gustav genannt (der Name, den ihr Vater einem Sohn gegeben hätte). Teresa Rotschopf wurde mit der Formation Bunny Lake bekannt. Und geht nun als O mit Produzent Patrick Pulsinger ihre eigenen Wege, die sie bis nach New York führen. Clara Luzia Maria Humpel stammt aus dem Kaff Oberretzbach in Niederösterreich, inzwischen macht die geborene Revoluzzerin ihr Ding in Wien – vor zunehmend größerem Publikum. Auch Vera Kropf hat sich als Luise Pop ihre Fans erobert.

Blöde Komplimente ärgern die Performerinnen noch immer. „Für eine Mädchenband echt gut“, zum Beispiel. Sie lassen sich nicht mehr dreinreden. Sie nehmen im Heimstudio auf oder im verlassenen Bauernhaus, sie spielen internationale Gigs, sie kriegen Kinder und proben im Keller und im Kleingartenhaus. Die legendäre Ex-Ö3- und FM4-Moderatorin Mirjam Unger, seit 2001 auch als freie Regisseurin tätig (Vienna’s Lost Daughters, Ternitz Tennessee) interviewte zig österreichische Musikerinnen, bevor sie sich auf diese vier festlegte. Es fiel ihr nicht leicht. In ihrer Doku steht das Leben frontstage wie backstage gleichermaßen im Fokus. Die mitreißenden Konzertmitschnitte drehte Unger, selbst Fan von Filmen wie Scorseses The Last Waltz und auch als Analog-Fotografin unterwegs, auf Film. Ganz klassisch. Materialengpässe führten allenfalls zu sorgfältigerer Auswahl. Auch die genialen Lyrics der vier Damen fallen nicht unter den Tisch, sondern werden auszugsweise eingeblendet. Verzichtet hat Unger dafür ganz bewusst auf langweilige talking heads, sprich Musikspezialisten oder Kollegen, die ihren Senf dazugeben. Diesmal gehört die Bühne ganz den Frauen. Und von wegen „Verschwende deine Jugend“: Für sie ist der Beruf Berufung. Und wenn das heißt, dass der Nachwuchs im Studio dabei ist. Das Musikbusiness aus Frauenperspektive. Rock ’n‘ Roll, Babies!“
(SKIP, Julia Pühringer)

 

 

Mama ist ein Rockstar
Unger über ein Dasein zwischen Babysitter und Bühnenshow.
„Es ist nicht einfach, zwischen Mutterschaft und Tonstudio zu pendeln; zwischen Proberaum und Mistraustragen; zwischen Konzertkarriere und Diskussionen mit dem Partner. Mirjam Unger („Wiens verlorene Töchter“) hat für ihren neuen Dokumentarfilm „Oh Yeah, She Performs“ vier junge österreichische Musikerinnen über gut eineinhalb Jahre mit ihrer Kamera begleitet und festgestellt: „Der große Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Musikern ist – und das sieht man schön im Film -, dass es dann plötzlich Kinder gibt, oder schwangere Sängerinnen, die alles regulierter machen müssen, mit begrenzten Probezeiten, Babysitter-Verhandlungen mit dem Partner – alles Dinge, die mit dem Rock’n’Roll zusammentreffen. Ansonsten arbeiten die Frauen an ihren Mikrofonen genauso hart wie ihre männlichen Kollegen.“

Mirjam Unger weiß, wovon sie erzählt. Schließlich hat die 42-jährige Wienerin bereits 20 Jahre Radioerfahrung – etwa als Moderatorin beim Sender FM4. Dort hat sie Platten aufgelegt, von Musikern, die fernab konventioneller Einheitsware für ihre Arbeit leben, aber nicht immer unbedingt von ihr. Denn das Musikbusiness ist hart, und der Erfolgsbegriff dabei durchaus unterschiedlich definiert: „Ich habe bei den Performerinnen in meinem Film verschiedene Zugänge erlebt: Während die eine lieber von Album zu Album und von Song zu Song ihrer Liebe zur Musik nachgeht und das als Erfolg sieht, ist die andere schon irgendwo da angekommen, wo man von Auftritten ganz gut leben kann.“

Gustav, Clara Luzia, Teresa Rotschopf und Luise Pop heißen die Künstlerinnen, die in Ungers Film ihren Musikerinnen-Alltag offenlegen. Unger streift dabei unaufdringlich die Höhen und Tiefen des Musikgeschäfts, immer auf Augenhöhe mit ihren Protagonistinnen. Und sie beweist ein gutes Gespür für Musik und Musikalität: Authentisch sein ist für Ungers Protagonistinnen der Schlüssel zur musikalischen Leidenschaft.

Allerhand Privates
„Ich habe mich sehr intensiv mit der österreichischen Musikszene auseinandergesetzt, allein schon aufgrund meiner Radiotätigkeit“, sagt Unger. „Mir ist dabei aufgefallen, dass es bei den Line-ups auf Konzerten und Festivals immer bloß eine weibliche Band, oder eine DJane gab, und die wurden alle als Einzelkämpferinnen dargestellt. Dabei gibt es seit gut zehn Jahren eine Art Aufbruchstimmung, gerade bei den weiblichen Musikern. Das hat sicher viel mit den neuen technischen Möglichkeiten zu tun: Jeder kann Musik selber machen, auch zu Hause. Das ist ein internationales Phänomen, das auch immer wieder Thema meiner Radioarbeit war.“ Unger geht in „Oh Yeah, She Performs“ mit ihren Protagonistinnen bis in deren Wohnzimmer und erfährt dabei auch allerhand Privates: „Besonders von Clara Luzia, die im Film in einer Großaufnahme ihre Schnittwunden an den Unterarmen zeigt.

Das hat sie gar nicht gestört, denn sie ist einer der offensten Menschen, die ich kenne, sie ist immer authentisch, egal, ob auf der Bühne, im Studio oder bei Interviews. Sie steht zu sich, und die Schnitte an ihrem Arm sind Teil ihrer Biografie. Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sind, glaube ich, wichtig im Musikerberuf.“

Dennoch: Zu privat will Unger den Frauen nicht zu Leibe rücken: „Ich habe versucht abzuwiegen, wie nah ich den Personen kommen kann, ohne dass es voyeuristisch wird. Eine gewisse Distanz und die Konzentration auf die Arbeit waren wichtig“, sagt sie. Nachsatz: „Die Babys sind jedoch unumgehbar.“
(Wiener Zeitung, Matthias Greuling)

 

 

Intime Doku über Bands und Babys
„Clara Luzia packt T-Shirts ein. Eva Jantschitsch (Gustav) erklärt, dass sie Milchschäumergeräusche haben möchte. Die Band Luise Pop tourt durch die tschechische Provinz. Teresa Rotschopf macht mit ihren Bandkollegen von Bunnylake eine Konzertnachbesprechung. Es sind intime Szenen aus dem Alltag österreichischer Musikerinnen, die Regisseurin Mirjam Unger – mit großartigen Bildern von Kamerafrau Eva Testor – eingefangen hat. Geschlechterrollen werden dabei nur am Rande behandelt, abgesehen von etwas Lippenstift und zwei Schwangerschaften könnte sich der Film genauso um männliche Musiker drehen – und das ist gut so. Plus: tolle Musik!“
(Kleine Zeitung, Nina Müller)

 

 

Befreiung aus dem Nischen-Dasein
„Die Dokumentarfilmerin Mirjam Unger begleitet in „Oh yeah, she performs!“ vier Musikerinnen auf und abseits der Bühne.

„Die, die es ehrlich machen, sind nackt auf der Bühne“, sagt Eva Jantschitsch, Kopf des Wiener Musikprojekts Gustav, gleich am Beginn von Mirjam Ungers Musik-Dokumentarfilm „Oh yeah, she performs!“. Jantschitsch sagt das zunächst einmal ganz allgemein. Menschen, die etwas Persönliches öffentlich preisgeben, sich einem Publikum aussetzen, sind verletzlich. In diesem Moment der Selbstentblößung spielt es zunächst einmal eine untergeordnete Rolle, ob es eine Frau oder ein Mann ist, der im Rampenlicht steht. Trotzdem gilt es festzuhalten, dass es wenige gesellschaftliche Bereiche gibt, in denen Geschlechterrollen dermaßen festgefahren sind, wie in der Rock- und Popmusik. Frauen an der E-Gitarre oder gar am Schlagzeug, das bedeutet Nischenexistenz. „Die Musikwelt“, sagt Jantschitsch, „ist ein männlich besetzter Raum.“ Für eine Frau, die mehr sein will als die Rockerbraut oder das Pop-Püppchen, ist der Weg auf die Bühne also ein anderer. Sie stellt ein festgefahrenes System von Zuschreibungen und Rollenbildern in Frage.

Ein Film, der sich anschickt, ein solches Thema zu verhandeln, läuft Gefahr, ein rührseliges Pamphlet zu werden, der die Ungerechtigkeiten patriarchaler Strukturen anprangert. Vor allem aber läuft ein solcher Film Gefahr, dass er im Gestus des erhobenen Zeigefingers einfriert und – schlicht und ergreifend – ziemlich schnell langweilig wird. Mirjam Unger macht diesen Fehler nicht. Sie begleitet vier junge Frauen. Neben Jantschitsch werden Clara Luzia Humpel, Vera Kropf von der Band Luise Pop und die ehemalige Bunny-Lake-Sängerin Teresa Rotschopf porträtiert.

Es geht Unger nicht nur um die Musikerinnen, sondern auch um die Menschen dahinter. Während die Aufnahmen von Auftritten mit Musikvideo-Mätzchen beinahe erdrückt werden, überzeugen die Bilder vom Alltag der vier Frauen gerade wegen ihrer Schlichtheit.

„Oh yeah, she performs!“ ist keine bebilderte These, auch keine moralisierende Predigt, sondern eine sehr intime Schilderung des Alltags von vier jungen Frauen, die mit unterschiedlichem Erfolg, aber demselben Eifer und derselben Disziplin versuchen, mit ihrer Musik über die Runden zu kommen. Den Glamour, das vermeintlich Außergewöhnliche streift die von der Tirolerin Eva Testor geführte Kamera lediglich am Rande. Es geht vielmehr um Alltägliches, das zwischen Bandproben und Auftritten passiert. Gut zwei Jahre hat Unger die Musikerinnen begleitet und ist ihnen dabei auf unaufdringliche Weise sehr nahe gekommen.“
(Tiroler Tageszeitung, Joachim Leitner)

 

 

 

„Nicht voyeuristisch, sondern gefühlvoll“ wirft Miriam Unger  in ihrem neuen Film „Oh Yeah, She Performs“   einen Blick hinter und vor die Bühne des Lebens von Clara Luzia, Luise Pop, Gustav und Teresa Rotschopf, vier österreichische Ausnahmemusikerinnen mit einer unbeirrbaren „Do it yourself“-Attitüde. Gezeigt  wird keine verklärte Romanze des KünstlerInnendaseins, sondern dessen Realität mit all seinen emotionalen und finanziellen Schwierigkeiten; mit langwierigen Soundproben und dem Nachdenken über den Seelenstrip, der da auf der Bühne hingelegt wird.

„Wir sind am Tun gewachsen”, beschreibt Vera von Luise Pop den Karriereweg ihrer Band, bestehend aus mehreren Frontfrauen und einem Mann.

Zwei Jahre lang begleitet Unger diese vier außergewöhnlichen  Frauen, bei ihrem Tun und Wachsen. Eine Reise, welche uns unter anderem durch die Schwangerschaft von Gustav führt, die Entwicklung Theresa Rotschopfs zur Solokünstlerin zeigt und uns die Möglichkeit gibt, mit Clara Luzia im Gras zu sitzen und ihr beim Erzählen von Geschichten aus ihrer Schulzeit zu lauschen. Der Blick der Regisseurin ist intim, die Musikerinnen scheinen sich während der Gespräche wohl zu fühlen und lassen sich bereitwillig bei ihrem Schaffen über die Schulter schauen. Ihr Film, sagt Unger, ist „ein Film über das Arbeiten“. Das Private sollte nur im Zusammenhang mit der Arbeit der Künstlerinnen geschehen. Diese gelungene Mischung lässt auf wunderbare Art beim Publikum das Gefühl des Mittendrinseins entstehen.

„Oh Yeah, She Performs“ erzählt die Geschichte von vier bemerkenswerten Frauen, die ihrer Leidenschaft und Überzeugung folgen und sich dabei gegen die immer noch Männer dominierte Musikbranche auflehnen. Was Miriam Unger mit dem ihrem Film, strotzend vor starken Frauen hinter und vor der Kamera erreichen möchte? Natürlich vor allem den Bekanntheitsgrad der Musikerinnen steigern.  „Aber auch, dass die Kraft dieses Filmes als Funke auf kommende Generationen übergeht und dazu ermutigt, Eigeninitiative zu zeigen. Er ist gesungene Zivilcourage und ein Symbol zum Lautwerden“.
(progress_Magazin der österreichischen Hochschülerschaft, Aurora Orso)

 

 

 

„Beinahe-Popstar, glamouröse Bühnen-Persona, selbstbestimmte Songwriterin und liebevolle Mutter – wie bringt man – nein, frau – all diese Widersprüche unter einen Hut?

Teresa Rotschopf – ehemalige Sängerin der Electro-Popband Bunny Lake, und Gustav alias Eva Jantschitsch schaffen das im Film ganz easy. Nicht, dass ich die Belastbarkeit und Multitasking-Fähigkeit dieser starken Frauen auch nur eine Sekunde lang anzweifeln möchte – aber muss der Rock ’n‘ Roll nicht öfters mal Pause machen, wenn das Baby zum Beispiel Hunger hat oder eine neue Windel braucht? Als – ich geb’s ja zu – manchmal durchaus auch überforderter Vater erscheint mir diese scheinbar völlig problemlose Doppelrolle Musikerin/Mutter doch ein wenig – nun ja – utopisch.

Aber das ist schon der einzige kleine Vorwurf, den ich Mirjam Ungers Musikdoku machen kann.

Der Film ist in jeder seiner 98 Minuten Laufzeit höchst sehenswert – vielleicht gerade wegen seiner weiblichen Perspektive. Ein männlicher Regisseur, noch dazu mit einem musikaffinen Background, hätte seine Protagonisten wohl am liebsten bei endlosen Musikfachsimpeleien gefilmt – ein Hobby, dem meiner Beobachtung nach ausschließlich Männer frönen. Nerdiger Musik-Geek-Speak kommt in diesem Film praktisch keiner vor. Stattdessen interessiert sich Mirjam Unger für die Menschen hinter den Bühnenpersönlichkeiten.

„Die, die es ehrlich machen, sind nackt auf der Bühne“, sagt Eva Jantschitsch. Das ist selbstredend metaphorisch gemeint. Trotzdem verblüfft es, wie viel Persönliches, Intimes die Musikerinnen von sich preisgeben. Wenn Clara Luzia von finanziellen und gesundheitlichen Problemen erzählt und Luise Pop alias Vera Kropf Unsicherheiten und Verletzlichkeiten zeigt, die nicht so recht zur Riot-Girl-Attitüde ihrer Band passen, bekommt der Film eine tragische Note, die ich von einer Musik-Doku nicht unbedingt erwartet hätte.

Filmisch gibt’s auch keinerlei Anlass zur Klage: Dezente, aber wirkungsvolle visuelle Spielereien peppen die zahlreichen Live-Aufnahmen auf. Die Schnitte werden schnell und dynamisch gesetzt, und die Musik wird nicht zerredet, sondern begleitet die Erzählung.

Alles in allem also eine höchst interessante und gelungene Musik-Doku aus weiblicher Perspektive – sollte man(n) sich unbedingt ansehen.“
(Filmtipps.at)

 

 

 

„Oh yeah she performs“ ist ein Dokumentarfilm von Mirjam Unger. Die Protagonisten sind die österreichischen Musikerinnen Gustav, Clara Luzia, Teresa Rotschopf und Vera Kropf von Luise Pop.

Sie sind laut, ihre Musik ist tanzbar und sie haben vor allem eines gemeinsam, sie versuchen die Bühne, eine Männerdomäne, zu erobern. Die vier passen nicht etwa in den Film, weil ihre Musik in den Indie-, Electronic- bis Mainstreambereich einzuordnen ist, sondern weil sie einen gemeinsamen Traum verfolgen.

Mirjam Unger arbeitet als Moderatorin, Fotografin, Drehbuchschreiberin und Filmregisseurin in Wien, und hat die Musikerinnen ein ganzes Jahr lang auf Schritt und Tritt begleitet. Der Film wirkt dynamisch und privat, jedoch niemals voyeuristisch. Wie auch im Film gesagt wird: „Die, die es ernst meinen, stehen nackt auf der Bühne“. Die Sängerinnen werden auch live gezeigt, auf Bühnen, auf denen sie alles von sich preisgeben.

Von Feminismus, Öffentlichkeit, Kindern als auch plötzlichen Sinneswandeln oder menschlicher Weiterentwicklung wird alles thematisiert, gezeigt und vor allem auch erzählt. Private Gespräche, Studioaufnahmen, Konzerte oder philosophisch angehauchte Fragen wechseln sich ab.

Die Bilder zeigen alles von großen und klaren Aufnahmen, zu körnigeren Konzertbildern, jedoch scheinen sie gut zusammen zu passen und lassen den Gesamteindruck lebendig wirken. Die Musik von Gustav, Clara Luzia, Teresa Rotschopf und Luise Pop bilden gleichzeitig zur dokumentarischen Funktion, auch den Soundtrack und roten Faden der Musikdoku. Gezeigt werden starke Frauen, die selber schreiben, komponieren und musizieren, was heutzutage immer noch keine Selbstverständlichkeit ist. Mirjam Unger begründet die Produktion in ihrem ORF-Interview damit, dass sie ihrer 17jährigen Tochter mit einer Art Gebrauchsanleitung zeigen wollte, dass es möglich ist sich als Frau in der Musikbranche durchzusetzen.

Fazit:
Die Mischung aus Unsicherheit und Selbstvertrauen, die der Film zeigt wirkt unglaublich sympathisch. Er zeigt eine Vielfältigkeit und scheint dabei nicht viele Worte zu brauchen. Zuschauer können sowohl in die Bühnenwelt, als auch in das Backstageleben eintauchen. Jedoch hätten einige angeschnittene Themen, tiefer beleuchtet werden können. Zeitweise wartet man auf mehr Inhalte und Statements, wird dann aber mit Auftritten und Musik vertröstet.“
(Filmering)

 

 

 

In ihrer Musik-Doku „Oh Yeah, She Performs“ begleitete Regisseurin Mirjam Unger die Musikerinnen Gustav, Clara Luzia, Teresa Rotschopf und Luise Pop zwei Jahre lang bei ihrer täglichen Arbeit. Heraus gekommen ist dabei ein intimer Film über Musikarbeit zwischen Selbstbestimmung, Nacktheit und Krise.

Wieso genau dieser Film?
Der Film ist aus meiner Radio-Arbeit erwachsen, da ich ja über zwanzig Jahre bei fm4 als Radiomoderatorin gearbeitet habe. Da war die Musik, die von Frauen gemacht wird, immer ein Thema. Da gab es auch immer Debatten, und Kolleginnen und ich haben uns auch wiederholt dafür eingesetzt, dass mehr Musik von Frauen gespielt wird. Die Bestandaufnahme nach der Jahrtausendwende war dann eine äußerst erfreuliche, weil sich damals sehr viel tat. Und aus dieser Beobachtung heraus dachte ich mir, könnte man eigentlich einen schönen Film machen.

 

Würdest Du sagen, dass es diesen Boom, den es zur Jahrtausendwende gab, als gleichzeitig viele Musikerinnen den Durchbruch schafften, immer noch gibt, oder ist er mittlerweile abgeflaut bzw. überholt?
Der Boom ist ungebrochen. Immer mehr Frauen machen auf die verschiedensten Arten Musik. Gerade im Indie-Bereich tut sich da wahnsinnig viel. Es hat sich eine Selbstverständlichkeit eingestellt, die eine ziemliche Kraft und Sogwirkung hat.

 

Wie kam es zur Auswahl genau dieser vier Künstlerinnen? War das Zufall?
Nein, zufällig war das gar nicht. Eine zahlenmäßige Beschränkung wollte ich natürlich, weil es sonst nicht möglich ist, die Musikerinnen wirklich kennen zu lernen. Sonst kann man nur das Phänomen an sich darstellen. Mir war aber wichtig darzustellen, was das Musikleben im persönlichen Leben, in der Tiefe bedeutet, wie die Arbeit aussieht, woher die Lieder kommen, wer die Personen dahinter sind.

Und da habe ich mich dann für die Gustav und die Clara Luzia als dieösterreichischen Pionierinnen entschieden. Teresa Rotschopf und Luise Pop kamen dann über intensive Recherchen dazu – einerseits um Genres abzudecken, um Rock, aber auch Elektronik dabei zu haben; andererseits aber auch, um der Verschiedenheit der einzelnen Wege und der Art und Weise, wie das eigene Rollenbild nach außen getragen wird, gerecht zu werden. Die Auswahl ist mir nicht leicht gefallen. Es wäre schon schön gewesen, wenn andere Musikerinnen auch noch dabei gewesen wären, die das Bild vervollständigen würden. Aber das wäre dann ein anderer Film, den es in Kurzform („She Pop“) ja schon gibt. Und es sollte eben gerade nicht eine Wiederholung dessen werden, was es schon einmal gab.

 

Die vier Protagonistinnen und ihre Wege sind sehr unterschiedlich, was im Film auch sehr gut raus kommt. Gibt es über die Tatsache hinaus, dass sie alle Frauen sind, eine weitere Gemeinsamkeit?
Die unbedingte Selbstbestimmtheit. Der Traum, eigene Musik zu texten, zu komponieren, zu produzieren und davon leben zu können. Zwar mag die eine auf dieser Reise schon weiter vorgedrungen sein, während die andere noch darum kämpft, aber das, wofür sie kämpfen, wollen sie sich unter keinen Umständen nehmen lassen, nämlich Musik so machen zu können, wie sie das wollen.

 

Gibt es einen spezifisch feministischen Zugang und wenn ja wie würdest Du den umschreiben?
Grundsätzlich ist es ein Musikfilm. Als spezifisch feministischen Film sehe ich ihn nicht. Es ist auch kein Film, der die feministische Debatte speziell ausbreiten würde. In erster Linie ist es also ein Film über Musik, Rock´n´Roll und Konzerte. Ein feministischer Zugang entsteht aber dadurch, dass die Portraitierten eben alle Frauen sind, die sich bei der Arbeit zuschauen lassen und sich auch dazu äußern. Dadurch erfährt man, wie es ihnen dabei geht. Und damit ist ein Statement gemacht. So einfach sehe ich das.

 

Du hast Rock´n´Roll als Thema angesprochen. Wie gefährlich war es, beim Erzählen, in gewisse Klischees zu verfallen? Wie schwer war es, die richtige Balance zwischen markanter Aussage und Übertreibung zu finden? Ich denke da etwa an das bewusste ins Bild Rücken einer weiblichen Schlagzeugerin, aber auch an den Auftritt Teresa Rothschopfs in New York. Die Musikerin, die es in den USA schaffen will – allein das ist ja schon eine Geschichte, die allen möglichen Klischees Tür und Tor öffnet. Letztlich wurden sie dann aber doch gekonnt umschifft bzw. gebrochen.
Als Vorbereitung auf den Film habe ich mir sehr viele Musikfilme angeschaut. Ausgangspunkt für mich waren also Rock´n´Roll-Filme, in denen es um Männer geht – mit Ausnahme vielleicht der Dokumentation über die Dixie Chicks. Aber tatsächlich werden viele der Klischees, die man in solchen Filmen vorfindet, auch gleich wieder gebrochen – indem man nämlich merkt, wie viel Arbeit und Mühsal hinter der Musik steckt; dass es in Wahrheit um ganz andere Dinge geht.

Und so war es auch bei diesem Film: Die Dreharbeiten haben mir gezeigt, was es heißt, diesen fehlenden Puzzlestein – eine Doku über Frauen, die Musik machen – in das große Puzzle der Musikfilme einfügen zu wollen. Was dann für Themen auftauchen. Die haben allesamt mit Klischees nicht das Geringste zu tun.

 

Die Anzahl der Orte, an die ihr die vier Protagonistinnen begleitet habt, und die Dauer der Dreharbeiten legen einen großen Aufwand nahe. War dieser Aufwand, diese Bandbreite zwischen slowakischer Kneipe und Hipster-Club in Brooklyn abbilden zu wollen, auch Grundbedingung, den Film überhaupt zu machen?
Auf jeden Fall. Mir war wichtig zu zeigen, wie toll diese Frauen sind; wie international anerkannt sie sind und dass sie hierzulande viel zu wenig bekannt sind. Und dafür war es unheimlich wichtig, den internationalen Kontext, in dem sie sich bewegen, zu zeigen. Das, was ich da jetzt sage, ist aber natürlich nicht auf Musik von Frauen beschränkt, sondern gilt für österreichische Musik im Allgemeinen. Dass sie viel zu wenig wahrgenommen wird. Dass es unfassbar gute Musik gibt, die auch internationale Anerkennung erfährt, der hierzulande aber viel zu wenig Anerkennung zuteil wird.

 

Macht einen dieser Mangel an Anerkennung nicht teilweise wütend?
Umgekehrt: Wenn ich sehe, wie positiv Jochen Distelmeyer im Thalia Theater auf Gustav reagiert oder wie euphorisch dort im Feuilleton über sie geschrieben wird, freut mich das. Weniger Wut also, dass es bei uns nicht passiert als vielmehr Freude darüber, dass es woanders schon passiert.

Wie intim darf man werden, wie intim muss man werden, um den Portraitierten gerecht zu werden? Gab es da Tabuzonen bzw. wie weit war es Dir erlaubt, in private Zonen einzudringen. Ich habe etwa nur zwei Lebenspartner der Protagonistinnen ausgemacht.

Bei der Eva (Jantschitsch alias Gustav, Anm.) haben wir bewusst gesagt, wir lassen Mann und Kind draußen, obwohl wir schon entsprechende Szenen gedreht hatten. Aber jede Protagonistin steht auch für eine gewisse Geschichte, die wir nicht doppeln wollten, da sind wir auch ein bisschen spielfilmartig rangegangen. Was Privates anbelangt, haben wir uns so entschieden, dass wir es, wenn es die Arbeit streift, mit rein nehmen. Sonst aber haben wir das Private auch privat sein lassen.

Wir haben ja einen Film über die Arbeit an der Musik gemacht – einen Musikarbeiterinnenfilm. Grundsätzlich waren aber alle sehr offen. Trotzdem gab es die Übereinkunft, dass sie, wenn es ihrem Empfinden nach eine gewisse Grenze überschreitet, einfach Stopp sagen und die Kamera dann abgedreht wird. Davon haben auch fast alle einmal Gebrauch gemacht.

 

Bleiben wir bei der Intimität: Inwieweit denkst Du, dass der Film auch Krisen abbildet – persönliche wie wirtschaftliche. Clara Luzia spricht einmal von schlaflosen Nächten, weil sie nicht weiß, wie sie die nächsten Rechnungen bezahlen soll. Dann gibt es die Szene, in der Luise Pop ein lächerliches Honorar einstreicht und es mit Humor nimmt. Wie weit bildet der Film die Krise ab – wie tief kann und darf man da gehen?
Mir war wichtig, dass die Krise als Grundzustand spürbar ist. In jedem Treatment, in jedem Drehbuch war die prekäre Situation Thema. Wir wollten es aber nicht explizit debattieren.

 

Ihr wart drei Jahre am Ball. Würdest Du sagen, dass sich die Situation in dieser Zeit noch verschlechtert hat?
Es ist konstant schlecht würde ich sagen. Und es ist auch noch nicht heraußen, wie das Problem gelöst werden kann. Das Szenario, dass man für die Musik, die man veröffentlicht, gar nichts mehr bekommt, weil niemand mehr dafür zahlen möchte, droht.
Dass Clara nicht mehr schlafen konnte, war auch nicht bloß so dahin gesagt. Tatsächlich konnte sie monatelang nicht schlafen. Das ist tatsächlich in dieser Ernsthaftigkeit zu sehen. Sie hat ja auch ihr Label reduziert bzw. den Traum, den sie hatte, auf ihrem Label viele andere Künstler herausbringen zu wollen, aufgeben müssen. Ihr Label hat sie heute nur noch für sich selbst. Finanziell, gesundheitlich und organisatorisch hat sie das einfach nicht mehr anders geschafft. Die Krise in der Musikindustrie setzt ihnen allen zu. Ich bewundere deshalb auch sehr, wie die vier das machen.

 

Eingangs des Filmes spricht Gustav über die Nacktheit auf der Bühne. Später im Film wird Teresa Rotschopf von ihrem Lebenspartner beschieden, sie müsse noch an ihrer Bühnen-Performance feilen. Wie hast du diesen Gegensatz zwischen Ehrlichkeit und Performance, zwischen Rolle und Person, wahrgenommen?
Ich finde, dass beides gleichzeitig existieren kann. Sobald man auf die Bühnetritt und sich so präsentiert, wie das alle vier Musikerinnen machen, ist man nackt, weil man sich in seiner ganzen Verletzlichkeit zeigt. Andererseits geht es um die Selbstbestimmtheit, wie man sich zeigt. Zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen es passiert, also. Und dabei geht es ganz klar darum, von einem bloßen Rollenbild weg und hin zu mehr Authentizität zu kommen. Um den Weg zu beschreiten, muss man sich immer offener, immer „nackter“ zeigen. „Und diesen Mut, sich immer mehr zu zeigen, habe ich bei allen vier Musikerinnen feststellen können.

Auch der Druck, aufgrund der wirtschaftlichen Situation kommerziell Dinge machen zu müssen, die einem vielleicht widerstreben, wird immer wieder thematisiert. Ich denke an den Ford-Dreh von Bunny Lake, der in den Medien kontrovers diskutiert wurde. Clara spricht einmal davon, dass sich ihr Anspruch, mit der Musik keine Werbung zu machen, nicht aufrecht erhalten ließ…

Mir war das wirtschaftliche Thema ein großes Anliegen. Es gab da auch diesen einen Satz von Gustav, der es leider nicht in die Endversion des Filmes schaffte: Es gäbe viele Ideale, meinte sie, die man im Laufe solch einer Musikerkarriere einfach über Bord werfen muss. Dinge, die sich als Sprüche an der Wand gut lesen, aber nicht lebbar sind. Ich wollte ja eigentlich noch viel weiter gehen und mit Bunny Lake bei Sitzungen in der Plattenfirma (Universal) dabei sein.

 

Warum wurde daraus nichts?
Es hat einfach nicht geklappt. Mal waren die Sitzungen schon vorbei, dann war Bunny Lake schon draußen aus dem Label.

 

Aber grundsätzlich hätte man Deine bzw. eure Anwesenheit dort zugelassen?
Das weiß ich nicht. Ein definitives ja oder Nein gab es nie. Letztlich kam es einfach nicht dazu, was ich ein bisschen schade finde, andererseits muss man sich als Filmemacher an die Dinge halten, die machbar sind. Aber spannend wäre es schon gewesen.

 

Und warum hat es Gustavs Satz nicht in die Doku geschafft?
Rein zeitliche Gründe. Am Schluss muss man sich einfach von vielem trennen, weil es sonst ausufert. Es gibt noch so unglaublich viel Material von tollen Konzerten und interessanten Interviews, das man hoffentlich irgendwann auf einer DVD-Version zugänglich machen kann. Das wäre sehr schön.
(mica austria, Markus Deisenberger)

 

 

 

„Laute Gitarren, schwitzende Gesichter, grellleuchtende Bühnenscheinwerfer: Um althergebrachte Klischees kommt man bei der Beschreibung von Mirjam Ungers Musik-Doku “Oh Yeah, She Performs!” nicht herum – aber nur, was den ersten Blick

Denn hier wird mehr erzählt als der klassische Traum des Rock’n’Roll-Lifestyle. Unger zeigt vier österreichische Musikerinnen im persönlichen Porträt, geht dabei über die “Weltsprache Musik” hinaus und erfasst für den Zuseher ein sehr komplexes Bild des zeitgenössischen, weiblichen Musikschaffens. Seine Premiere feiert der Film heute, Samstag, Abend bei der Viennale, ab 9. November startet er dann regulär im Kino.Ungers Nähe zur Thematik ergibt sich nicht zuletzt durch ihre langjährige Tätigkeit als Moderatorin für den Radiosender FM4. Zu dessen “Universum” sind wohl auch die vier Protagonistinnen zu zählen: Gustav alias Eva Jantschitsch, Clara Luzia alias Clara Humpel, Teresa Rotschopf sowie Luise Pop alias Vera Kropf. Die Musikerinnen selbst begegnen einander im Film allerdings nicht, vielmehr entwirft Unger in einem den Jahreszeiten untergeordnetem Erzählkonzept kaleidoskopische Einblicke in das tägliche Leben der Vier, von Proberaumsituationen über Studioaufnahmen bis zu Interviewmarathons oder Liveauftritten.

Gleich zu Beginn begegnet man Jantschitsch als “Botschafterin aus dem Untergrund”, die für Musiker ganz prinzipiell festhält: “Die, die es ehrlich machen, sind nackt auf der Bühne.” Voyeuristisch wird Ungers Zugang allerdings zu keiner Sekunde, stattdessen erhält man Zutritt zu ansonst meist verschlossenen Türen. So begleitet man eine sichtlich gesundheitlich angeschlagene Clara Luzia zu Studioaufnahmen, beobachtet Gustav bei den Vorbereitungen zum Auftritt im Hamburger Thalia-Theater, geht mit Luise Pop und ihrer Band auf Tour durch Tschechien und die Slowakei oder taucht mit Teresa Rotschopf in das New Yorker Nachtleben ein.

Eingefangen wird dies einerseits von einer Mischung aus klaren Großaufnahmen und körnigen bis leicht verschwommenen Bildern, die im schnellen, aber stets nachvollziehbaren Wechsel eine ungeheure Dynamik entfalten, sowie andererseits den Stücken der vier Musikerinnen als ständig präsentem Soundtrack, der mal nur Begleitung, mal ganz Hauptbestandteil ist. Kommerzieller Erfolg und das Zahlen der Rechnungen werden ebenso thematisiert wie politische Implikationen, wenn eine Frau sich im Musikbusiness abseits von stereotypen Vorstellungen zu positionieren sucht.

Unger gelingt dabei der Spagat zwischen ausstehender Beobachterin und einfühlsamer Geschichtenerzählerin, obwohl sie selbst in den gut 100 Minuten nur in wenigen Sequenzen mit Fragen eingreift. So wird man auch mit keinen klassischen Interviewsituationen konfrontiert, sondern sitzt wie die sprichwörtliche Fliege an der Wand im Umfeld der Musikerinnen – inklusive der Konfrontation mit allen Höhen und Tiefen, Freuden und Rückschlägen, Erfolgen und Krisen.

Über einen Zeitraum von zwei Jahren entstanden, stellt der Film für Unger “einen Wegweiser in eine (noch) utopische neue Welt” dar, “die keinen Geschlechterkampf mehr kennt, weil sie ihn überwunden hat, eine Welt, in der Männer und Frauen sich gegenseitig schätzen, unterstützen und gemeinsam an einer Vision und am Sound einer neuen gleichberechtigten Ära arbeiten”, wie sie im Presseheft zitiert wird. Und daneben natürlich auch eine ungemein sehenswerte Musikdoku, die allein durch die Freude an der Bildsprache und den Stücken ihrer Darstellerinnen fesselt.
(APA)