Zu hören und zu sehen sind vier österreichische singer/songwriter: Gustav, Clara Luzia, Teresa Rotschopf, Luise Pop (in der Reihenfolge ihres ersten ‚Auftritts’ im Dokumentarfilm von Miriam Unger) mit ihrer jeweiligen Formation in einem wunderbar filmischen Werkstatt- und Performance-Bericht: so arbeiten sie, darauf sind sie (in ihrem Projektieren von Texten, Musik und Performance) konzentriert, so kreieren sie ihre fiktive Bühnen-Persona. Die Künstlerinnen lassen einen großzügigen, emotionalen Einblick in ihre arbeitstechnischen konzeptuellen Strategien und ihre künstlerischen Visionen zu. Wie inspirierend ist es, sie zu erleben, wie sie formulieren, zögern, Lösungen aufzeigen. Da gibt es auch Zweifel und dann die Sicherheit der Entscheidung, Nervosität und Entspannung… alles vielschichtige Facetten des künstlerischen Schaffensprozesses.
Der Film ist komplex strukturiert. Es wird das Raster eines Jahresablaufs vorgegeben (Sommer – Winter – und wieder Sommer) und doch scheinen die Gesprächsfragmente in einer unmittelbaren Filmgegenwart präsentiert, in der auch Entwicklungsprozesse, Kontinuität und Neuanfang nachvollziehbar sind. (Schwangerschaft und zurück zur Arbeit nach der Babypause etwa bei Gustav, die Entscheidung, die Band zu verlassen und alleine weiter zu machen, – Teresa Rotschopf-, die Überwindung einer Krankheit, die vielleicht auf eine große Erschöpfung zurückführbar war – Clara Luzia – und die geglückte Arbeit an der Identitätsfindung bei Luise Pop – wenn diese Verkürzung der ‚Handlungs’bögen überhaupt möglich ist.
Die Musikerinnen treffen im Film nie aufeinander aber ihre Aussagen sind intensiv aufeinander bezogen. Es geht auch um das empowerment durch Produktivität, um die überfällige Feststellung der mehr als berechtigten unbedingten ‚Gleichberechtigung’- und das nicht in Form eines Forderungskatalogs. Das traurige Faktum, dass Frauen nach wie vor jovial auf die Schulter geklopft wird, weil sie in dieser (Musik) Branche in allen Bereichen (und nicht ‚nur’ wie eher üblich als Sängerinnen) doch auch ’recht akzeptabel’ sind, wird von den so ‚gelobten’ mit Verblüffung konstatiert… eine solches Statement bei einer so offensichtlichen Professionalität und überzeugenden Visionen – und das im 21. Jahrhundert! Nicht nur deswegen ist der Film immer auch politisch d.h. radikal/kritisch auf die Gesellschaft bezogen. Es gibt kaum Interviews und schon gar keine ‚Experten’. Die entspannte Vertrauensbasis mit dem Filmteam ist immer spürbar.
They perform, oh yes – und Kamera, Schnitt und Regie performen gleich mit: da scheint die von Hand gehaltene Kamera mit den Schnitt-Phrasierungen buchstäblich zu fliegen – als Gegengewicht kommt das Kameraauge manchmal in der Bewegung, die nur das Atmen verursacht, zur Ruhe. Regie, Kamera, und Schnitt arbeiten geradezu euphorisch mit dem Fokus, der (Tiefen) Schärfe, dem Wechsel von Farbwischern und -impressionen und freeze frames. Es gibt extrem kurze, rhythmische und dann wieder ungeschnittene Gesprächs- und Performancesituationen (das Solo der Frau am Schlagzeug!). Aufnahmen in der Wohn- Studio- oder Bühnensituation sind weiter als die headshots der Protagonistinnen, sodass ihre Augenbewegungen, ihr Lächeln – überhaupt ihre Mimik und Ausdrucksgestik ablesbar sind und andererseits der jeweilige räumliche Kontext in seinen Details miterzählt, z.B. wenn Luise Pop so gelassen mit ihrer Gitarre – einer ‚Mustang’ wie Kurt Cobain – vor einer Blümchentapete steht; alle vier werden mit respektvoller Distanz in ihrem Lebensumfeld gezeigt, ohne voyeuristisch Neugier bedienen zu müssen.
Natürlich arbeiten sie alle im Team, aber es bleibt doch unangefochten (oder hat sich dahin entwickelt), wer die Entscheidungen trifft (Teresa Rotschopf:‚ich will es so machen, wie ich es machen will!’)
Ja, und die Musik… sie kommt lustvoll und begeisternd aus den Boxen, Sprach-Inserts mit Schlüsselworten des Textes sind eingebaut und machen so die Songs noch erleb- und fühlbarer – diese Methode hat eine fast haptische Wirkung, die Worte greifen an und treffen ins Herz. Songfragmente, die unmittelbar als Kopfmusik gespeichert werden. ‚down to the beach’ BEACH. Süchtigmachend. Oh yes, – indeed- she performs.
Birgit FLOS, Autorin – Juli 2012